Lauschbar 25 27. Juni 2004

Diese 25. Lauschbar war eine besondere, denn ich nutzte den Anlaß des Jubiläums, um eine Rückschau auf die Lauschbar-Geschichte bis dahin zu halten. So gab es nur eine Neuvorstellung, dafür suchte ich aus jeder vergangenen Lauschbar eine Platte aus, die mir besonders ans Herz gewachsen war bzw. die ich auch mit dem Abstand von Jahren und Monaten immer noch als sehr höhenswert empfand. Die Auswahl war mir dabei wahrlich nicht leicht gefallen, gab und gibt es doch in jeder Lauschbar mehrere persönliche Favoriten. In der Regel hatte ich die Rezension aus der jeweiligen Lauschbar unverändert übernommen und ggf. um weitere/neue Infos ergänzt.

LB05 - Diese Lauschbar wurde in "Fremdregie" durchgeführt.

PDF-Booklet (CD-Cover-Format, Farbe) mit kompletter Historie anno LB25: 25620 KByte

Tin Star: The Thrill Kisser (V2) 9.2.1999
Ein sehr vielseitiges und zeitgemäßes Elektro-Rock-Album mit wuchtigen Synthi-Bässen, pulsierenden Loops und abgefahrenen Klangspielereien. Nicht nur stimmlich erinnert das Werk an die aktuellen Platten von U2 und Depeche Mode, ist jedoch rockiger und grooviger als diese. Enthält auch einige schöne Mid-Tempo-Balladen.
  ↑  Blur: 13 (EMI) 12.3.1999
Blur sind es leid, mit Oasis um die Krone des Brit-Pop zu streiten und haben mit ihrem neuen Album ein Werk geschaffen, das ihnen einen Platz auf dem Rock-Olymp sichert. Bis auf zwei krachige Songs bieten alle Stücke eine Fülle genialer wie subtiler musikalischer Einfälle, die ein genaues und mehrmaliges Hören lohnen.
  ↑  Joi: One and One is One (Virgin/Real World) 23.2.1999
Der oder andere Gast des bc-Clubs hat sich schon zu dem hypnotischen Stück "India" auf dem Tanzboden bewegt. Nach diversen Singles und Sampler-Beiträgen liegt nun endlich der erste Longplayer von Joi vor, der eine faszinierend-mystische Fusion von westlichen Dancebeats mit asiatischen Musikformen enthält.
  ↑  Barry Adamson: The Murky World Of ... (Mute) 18.5.1999
Seit mehr als 10 Jahren wandelt das ehemalige Mitglied von Nick Cave’s Band The Bad Seeds auf Solopfaden und legt nun ein erstes Resümee vor. Bis auf einige Stücke ist die Musik gar nicht so düster, wie der CD-Titel vermuten läßt, sondern kommt im Gegenteil sehr jazzig relaxed bis groovig daher und verbreitet wohliges Soundtrack-Feeling.
  ↑  Mo’ Horizons: Come Touch The Sun (Stereo Deluxe) 26.10.1999
Diese Scheibe ist zwar nicht mehr brandneu, weil bereits Ende letzten Sommers erschienen, aber gerade richtig, den Sommer in winterliche, heimische Gefilde zu holen. Schon Cover und Albumtitel machen klar, wohin die musikalische Reise geht: in den sonnigen Süden. Entspannt und träumt zu relaxt-groovenden afrikanischen und brasilianischen Rhythmen!

Nachtrag Juni 2004:
In der Zwischenzeit sind 2 neuere Alben des deutschen Projekts erschienen: 2001 "Remember Tomorrow" (LB 14), von dem auch das inzwischen zum Clubhit avancierte "Hit The Road Jack" stammt, sowie 2003 "New Bohemian Freedom".

  ↑  Yonderboi: Shallow And Profound (Mole) 17.1.2000
Es gibt sie doch noch, die (angenehmen)Überraschungen beim Anhören einer neuen Platte! Dabei sind es nicht etwa großartige musikalische Innovationen, durch die das Debüt von Yonderboi besticht, sondern die Souveränität, mit der der erst 19jährige Ungar mit einfachen Mitteln beeindruckend dichte Kompositionen voller Gefühl und Melodie erschafft.
Im Kindesalter in der klassischen Gitarre unterrichtet, entdeckt er mit 13 die Liebe zum Musik-Computer. Als 16-Jähriger schickt er sein erstes Demo, eine geniale Adaption des Doors-Klassikers "Riders On The Storm", an Juice Records in Budapest. Unter dem Titel "Pink Solidism" bereicherte er zahlreiche Compilations. Im letzten Sommer hat er nun zusammen mit Freunden die CD eingespielt, die eine wunderbar entspannte und weiche Atmosphäre mit ungarischem Flair verbreitet.

Nachtrag Juni 2004:
Diese Platte löste im <bc>-Club eine wahre Yonderboi-Euphorie aus, die letztlich auch zu 2 Auftritten im Club führte.

  ↑  Madrugada: Industrial Silence (Virgin) 27.1.2000
Interessant und gut: eine norwegische Band mit spanischem Namen, die Rock mit Western-Flair spielt! Die unter die Haut gehende, vorrangig im mittleren Tempo gehaltene Musik integriert auf geniale Weise Blues, Country und Psychedelik. Ein Genuss auch die vielseitige Stimme des Sängers, die klingt, als hätten sich Jim Morrison, Elvis und Nick Cave in einer Person vereint!
  ↑  Minus 8: Elysian Fields (Compost) 17.7.2000
Minus 8 ist das Projekt des Schweizer Architekten, Musikers, DJs und Produzenten Robert Jan Meyer, der sich auch mit der Veröffentlichung der Compilation-Reihe Science Fiction Jazz verdient gemacht hat. Sein drittes Album enthält wieder sehr athmospärische, leicht jazzige Kompositionen. die sich um relaxte Beats bzw. Drum’n’Bass ranken.
  ↑  V.A.S.T.: Music For People (Elektra/EastWest) 18.9.2000
Vor 2 Jahren brachte das Debüt dem "Visual Audio Sensory Theatre" des Kaliforniers Jon Crosby mit seiner kongenialen Verschmelzung von Rock, Klassik, Mönchsgesängen und elektronischen Klängen berechtigte Aufmerksamkeit. Die neue CD knüpft daran an, ist jedoch eingängiger und weicher, damit aber auch konventioneller.
  ↑  Juno Reactor: Shango (ElectricMelt) 17.10.2000
Das 5.Album des internationalen Projekts um den Briten Ben Watkins ist total abgefahren! Es sei dem geneigten Hörer überlassen, ob er die Art und Weise, wie hier hypnotisch-technoide Beats und psychedelische elektronische Klänge mit afrikanischem Percussion-Wirbel, orientalischen Gesängen und spanischer Gitarre verknüpft werden, nur interessant oder einfach genial findet...
  ↑  Slut: Lookbook (Virgin) 2.3.2001
"Lookbook" ist das 2. Album der seit 1995 bestehenden Band aus dem Ingolstädter Raum und bietet 60 Minuten filigranen Breitwand-Alternative-Pop und einen Ohrwurm nach dem anderen, z.B. das schon aus den Radios bekannte "It Was Easier".
Inhaltlich stellt "Lookbook" die Vertonung eines imaginären Tagebuchs dar, bei dem die melancholischen Stimmungen überwiegen. Musikalisch ist dies recht vielseitig umgesetzt: mal als Gitarren-Pop a la Travis oder Cure, mal in Form von Synthie-Pop a la Depeche Mode, und oft mit opulent instrumentierten Streicher-Arrangements verziert.
  ↑  Blackmail: Bliss, Please (WEA) 26.2.2001
Wahnsinn, nach Slut (LB 12) die zweite deutsche Band, die locker den Vergleich mit den Brit-Pop/Rock-Bands von der Insel aufnehmen kann!
Das 3. Album der Koblenzer ist ein spannendes, breit angelegtes Gitarrenrock-Epos von sanften Balladen bis zu treibenden, enorm dichten Wall Of Sound-Stücken, in die auch Streicher, Trompeten und Vibraphone integriert sind.
  ↑  Appliance: Imperial Metric (Mute/Virgin) 17.7.2001
Das 2. Studioalbum des britischen Trios begeistert mit Avantgarde-Pop der unterhaltsamen Art: die Songs fesseln zunächst mit monoton rollenden, wuchtigen elektronischen Beats, um beim zweiten Hinhören dann die darauf aufgetürmten Soundschichten und -experimente aus Samples, floydesken Gitarren und charismatischem Gesang zu offenbaren.
  ↑  The Walkabouts: Ended Up A Stranger (Glitterhouse) 29.10.2001
Daran, daß diese Band aus Seattle in drei Lauschbars vertreten war (4, 8 und 15), erkennt man, daß sie zu meinen persönlichen Favoriten gehört. Ich mag ihren unspektakulären, aber eindringlichen und epischen Indie-Folk-Blues-Pop, der einen passenden Soundtrack für besinnliche Herbstabende oder melancholische Streifzüge durch die nächtliche Stadt abgibt.
"Ended Up A Stranger" ist das elfte Album in der schon 20-jährigen Geschichte der Band um Chris Eckman und Carla Torgerson.
  ↑  Die Firma: Das Dritte Auge (La Cosa Mia / V2) 4.2.2002
Das 3. Album der Firma enthält deutschen HipHop mit Niveau: fette Beats und einen opulenten, von Fader Gladiator (LB 14) im Soundtrackstil inszenierten Sound. Die größtenteils anspruchsvollen Lyrics heben sich wohltuend von den sonst dominierenden Battle Rhymes ab und beschreiben alltägliche Situationen, thematisieren die politische Lage nach dem 11. September oder entwerfen Phantasie-Szenarien.
  ↑  The Herbaliser: Something Wicked This Way Comes (Ninja Tun) 1.1.1970
Bereits das Vorgänger-Album "Very Mercenary" gehörte in der Lauschbar 3 vor fast 3 Jahres zu den Highlights. Nach langer Wartezeit nun der neue Geniestreich des britischen Duos Jake Wherry & Ollie Teeba. Wieder gelingt ihnen mit musikalischen Zutaten aus HipHop, Soul, Funk, Jazz und mit Samples, sowie zusammen mit diversen SängerInnen, die Erschaffung eines faszinierenden Sound-Universums. Das wird alles so brilliant zusammengefügt, daß streckenweise unwahrscheinlich dichte, gleichzeitig aber auch sehr relaxte Stücke von orchestraler Erhabenheit entstehen.
Über allem schwebt ein Hauch von 70er Jahre Agenten- und Science Fiction-Filmen, der wohlig-schaurige Schauer den Rücken heruntertreibt, was sich auch schön im Titel und im Cover des Albums widerspiegelt.
  ↑  Archive: You All Look The Same To Me (EastWest) 6.5.2002
Fast wäre diese CD in der Flut der Veröffentlichungen untergegangen, hätte da nicht der Rezensent einer Musikzeitschrift als Referenzgröße meine Lieblingsband Pink Floyd genannt! Und das wäre sehr schade gewesen, denn das 3. Album der seit 1994 existierenden britischen Band ist ein absolutes Meisterwerk! Sowohl bei einzelnen Passagen aber auch vom ganzen musikalischen Ansatz her kommen in der Tat wohlige Erinnerungen an die grandiosen Alben Pink Floyds aus den 70ern auf. Dabei klingt Archive aber keineswegs wie ein simples Plagiat, vielmehr kreieren sie ihren ganz eigenen Stil, indem sie z.B. Elemente aktuellerer Stile wie TripHop und Electronica einfliessen lassen. So reichen die Stücke vom epischen und vielschichtigen 16-minütigen Opener über kleine stille Gitarrenlieder bis hin zu groovigen elektronischen Tracks.
  ↑  Nachzehrer: Teen Taken From Tent By Aliens (Nanopop/NovaMedia) 14.10.2002
Man darf sich von dem etwas seltsamen Bandnamen nicht verschrecken lassen, denn hier liegt ein ganz hervorragendes Debüt-Album einer süddeutschen Band vor, die bereits Ende der 80er mit einem 4-Track-Promotape für Aufsehen sorgte, aber damals noch keinen Plattendeal bekam. Ein Nachzehrer ist übrigens ein altdeutscher Begriff aus dem 16. Jahrhundert für Verstorbene, die Lebende in ihr Grab ziehen und verzehren. Grundlage für diesen Mythos waren laute Schmatzgeräusche aus den Gräbern frisch Verstorbener, die man sich damals nicht wissenschaftlich erklären konnte. Wer daraus auf ein Dark-Wave- oder Gothic-Album schliesst, liegt aber falsch, denn hier handelt es sich um feinste Synthi-Wave-Pop Mugge im Stil der 80er (Fad Gadget, Human League), welche dank verwendeter moderner elektronischer Stilmittel trotz Retro-Flair aber keineswegs altmodisch klingt.
  ↑  Moloko: Statues (Echo/Roadrunner) 3.3.2003
Fast 3 Jahre nach dem letzten Album legt die Sheffielder Band um die charismatische Sängerin Roisin Murphy und den Produzenten Mark Brydon ein neues musikalisches Lebenszeichen vor. Aber das Warten hat sich gelohnt, denn das mittlerweile 4. Album ist ein absolutes Meisterwerk geworden, das im Gegensatz zum Vorgänger durchweg überzeugt und begeistert! Es ist ein Popalbum, das ein weites Reportoire an emotionalen Momenten abdeckt "und das dementsprechend von ausschweifenden Disco-Dramaturgien, luxuriösen Orchester-Arrangements, krispen Elektronik-Einstreuungen, Schweineorgel-Solis, Kinderchören, knackigen House-Beats und schleppendem Jazz-Geschrubbe allerhand verschiedene Elemente einbaut. Bemerkenswert ist die große Geste, mit der Brydon und Murphy dies alles zu einer runden Sache werden lassen und die Beiläufigkeit, mit der sie Hooklines aus dem Ärmel schütteln, ohne Vorwürfen der Anbiederung an Charterfolge wie ’Sing It Back’ und ’The Time Is Now’ Platz zu lasssen." (Groove)
  ↑  Ghost Cauldron: Invent Modest Fires (!K7 Records) 5.5.2003
Ghost Cauldron heißt übersetzt Hexenkessel der Geister. Zusammen mit dem Cover könnte man also auf ein eher düsteres, mittelalterlich angehauchtes Werk schließen, womit man aber nur bedingt richtig liegt, etwa in der ersten Hälfte des Albums... Und in der Tat verbirgt sich hinter dem Projekt ein Duo, von dem man dunkle Klänge nicht unbedingt erwartet: DJ Kaos, Ex-Mitglied der Berliner Formation Terranova und sein Skate Buddy CE.EL, ein talentierter Keyborder und Soundtechniker.
Zusammen kreiieren sie einen außergewöhnlichen, mächtigen, teils orchestralen und Stile übergreifenden Sound (HipHop, Rock, TripHop, Electronica), der den Hörer unwillkürlich in den Bann zieht. Die Gesang-Parts übernehmen dabei diverse Gastmusiker, u.a. Priest vom Anti Pop Consortium.
  ↑  Letzte Instanz: Götter auf Abruf (Andromeda/Vielklang) 22.9.2003
Spätestens mit ihrem grandiosen Auftritt im Januar 2000 im <bc>-Club hat sich diese ostdeutsche Band mit ihrem frischen wie tiefgründigen Folk-Rock in mein Herz gespielt, und sicher auch in das vieler Ilmenauer. Nun legen sie also ihr 4. Album vor. Es knüpft an den Vorgänger "Kalter Glanz" an, auf dem sie Crossover und New Metal-Elemente einfließen ließen. Auf "Götter" sind zusätzlich sogar jazzige Nuancen zu hören!
Überhaupt besticht die CD, neben dem wieder hervorragenden Artwork, durch eine große Vielfalt und Experimentierfreude, was sicher auch drei neuen Bandmitgliedern zu verdanken ist. Krachende Rocknummern wechseln mit fetten Rap-Stücken, dazwischen melodisch-melancholische Lieder, in denen die Letzte Instanz wieder auf ihre unnachahmliche Art das Universum und das Leben hinterfragt.
  ↑  Trance Groove: Meant To Be Like This (Intuition) 11.8.2003
Zugegebenermaßen bin ich erst vor ein paar Wochen durch eine Rezension auf diese Combo aufmerksam geworden, dabei existiert das Kölner Musiker-Kollektiv bereits seit 10 Jahren, hat mit der vorliegenden CD schon sein 5. Album eingespielt – und macht absolut "geile" Musik!
Der Bandname ist Programm: Die fast ausschließlich instrumentalen Stücke versetzen den Hörer in rhythmisch verzückte Hypnose und Ekstase. Das Ganze hat aber nichts mit technoidem Trance zu tun, vielmehr geben sich die gestandenen Musiker um Drummer Stefan Krachten, Bassist Dal Martino und Keyborder Helmut Zerlett (bekannt aus der Harald Schmidt Show) der kollektiven Improvisation hin, basierend auf einem treibendem Rhythmusfundament aus Loops, fettem Baß und Schlagzeug. Darauf betten sich funkige Bläserlinien, Scratchbreaks und Trompetensolis.
  ↑  17 Hippies: IFNI (Soulfood) 26.1.2004
Nein, dies ist keine Flower Power Band. Der einen oder dem anderen dürfte die vielköpfige Combo aus dem Film "Halbe Treppe" bekannt sein. Auf unbekümmerte Weise verwenden die Musiker Elemente osteuropäischer und jiddischer Musik und verschmelzen diese mit Rock, Pop und Chanson. Die Stimmungen schwanken dabei zwischen Schwermut und quirliger Lebensfreude.
  ↑  Clueso: Gute Musik (Four Music/Zughafen) 21.6.2004
Den einen oder die andere hat Clueso ja sicher schon auf dem Himmelblau-Festival begeistert und nun liegt also ganz brandneu seine zweite LP vor. War der inzwischen 24-jährige Erfurter auf seinem ersten Album noch hauptsächlich dem Rap verhaftet, so offenbart er auf dem neuen Album erstaunliche Songwriter-Qualitäten und inhaltliche Reife. Musikalisch reicht das Spektrum von rauen und minimalen Gitarren- und Schlagzeug-Tracks bis zu aufwendig produzierten Stücken mit Streichern und Bläsern. Die stilistischen Einflüsse kommen aus Soul, Funk, Jazz und HipHop. In seinen Liedern erzählt er – mal in ernster, mal in witziger Form – von Alltagssituationen, Sehnsüchten und Begegnungen aus seinem Leben.