Lauschbar 29 26. Juni 2005

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Juno Recator: Labyrinth (Metropolis) 21.2.2005
Gut 4 Jahre nach dem letzten Longplayer "Shango" (in LB 11 vorgestellt) nun also der 6. Streich des internationalen Projektes um den Briten Ben Atkins. Faul war er in der Zwischenzeit aber nicht, hat er doch zum 10-jährigen Jubiläum des Projektes die Retrospektive "Odyssey 1992-2002" veröffentlicht und an den Soundtracks zu den Teilen 2 und 3 der "Matrix"-Trilogie mitgearbeitet. Von diesen sind auch jeweils ein Track - "Mona Lisa Overdrive" und "Navaras" – in überarbeiteter Form auf diesem Album vertreten, und bringen mit ihrer breitwandigen Orchestrierung eine neue Note in den ansonsten von den früheren Werken her schon bekannten Sound-Kosmos, der technoide Beats und psychedelische elektronische Klänge mit afrikanischer Percussion, orientalischen Gesängen und spanischer Gitarre vereint.
  ↑  The Herbaliser: Take London (Ninja Tune/Rough Trade) 6.6.2005
Lauschbar-"Veteranen" wissen, daß ich ein Herbaliser-Fan bin, hatte ich doch schon die beiden Vorgänger-Platten mit viel Euphorie vorgestellt (LB3/17). Auch die inzwischen 5. Scheibe des britischen Projektes um Jake Wherry und Ollie Teeba weiß mich wieder zu begeistern, wieder erschaffen sie mit diversen Gastmusikern und SängerInnen/RapperInnen aus den Musik-Bausteinen HipHop, Jazz und Funk sowie aus Samples sehr dichte und faszinierende Sounds und Songs mit relaxten Grooves. Haben mir früher vor allem die instrumentalen, soundtrack-artigen Stücke gefallen, so überzeugen mich diesmal auch die gerappten Songs, u.a. mit Roots Manuva.
  ↑  K-OS: Joyfull Rebellion (Labels/EMI) 21.3.2005
Der aus Toronto stammende Künstler hat erst mal studiert und die Welt bereist, ehe er seine musikalische Laufbahn begann. So strahlt das "erst" zweite Album des inzwischen 32-Jährigen denn auch eine entsprechende menschliche Reife aus. Zwar stellt der HipHop seine musikalische Basis dar, aber sowohl textlich als auch stilistich folgt er nicht den eingefahrenen Klischees dieses Genres. Seine Lyrics handeln weniger um Crime & Sex als um die Probleme in der Welt und seine Stellung als Künstler. (So prankt auf dieser Platte auch nicht der sonst übliche "Parental Advice"-Aufkleber.-)
Musikalisch bringt er durch Anleihen bei Jazz, Reggae, Soul, Funk, Rock eine enorme Bandbreite ins Spiel und sorgt dadurch für eine wohltuende und spannende Abwechslung, sonst auch nicht so typisch für den Mainstream Rap.
  ↑  Amadou & Mariam: Dimanche A Bamako (AllOther/WEA) 30.5.2005
Der Gitarrist Amadou Bagayoko und die Sängerin Mariam Doumba lernten sich 1973 in der Blindenschule von Bamako, der Hauptstadt von Mali kennen und sind seitdem musikalisch und privat ein Paar. In den 80ern erspielten sie sich zunächst in Westafrika einen guten Ruf, der in den 90ern auch auf die europäischen Weltmusikfans übergriff. Während den Aufenthalten in Europa erweiterten sie ihre von malischer Folklore geprägte Musik um Stilmittel aus Blues, karibischer Rhythmik und französichem Chanson. Seit 1999 veröffentlichten westliche Plattenfirmen 4 Alben mit alten und neuen Liedern des Duos. Die neue Platte nun wurde in Zusammenarbeit mit keinem Geringeren als Manu Chao eingespielt. Diese Kollaboration hat der Musik sehr gut getan, denn die sonst auf die Dauer etwas monoton wirkenden Songs werden auf die für Manu Chao typische Weise aufgefrischt und aufgepeppt, ohne sich aber dem Mainstream anzubiedern. Eine wunderbare Sommerplatte zum Tanzen und Zuhören und ...
  ↑  Nitin Sawhney: Philtre (V2/Embargo) 2.5.2005
Der Londoner mit asiatischem Migrationsbackground dürfte dem einen oder der anderen bereits von Beiträgen zu diversen Chillout-Samplern bekannt sein. "Philtre" ist sein 7. Longplayer seit 1993 und auch auf diesem finden sich wieder seine Markenzeichen: Downtempo Jazz, Asian Vibes & Voices und TripHop. Neu und belebend sind Flamenco-Einflüsse mit spanischem Gesang.
  ↑  The Egg: Forwards (Ministry Of Sound/Edel) 17.5.2005
Die Musik von The Egg kann man, was große Teile von "Forwards" angeht, auch unter Chillout einordnen. Dazu gesellen sich aber auch Passagen und Songs, die mittels Gitarren fast schon rockig sind. Dieses Ambivalente und Unentschiedene in ihrer Musik, das Hin und Her zwischen Elektronik und Gitarren, zwischen psychedelisch wabernden Sounds und funky Grooves, macht dann auch den besonderen Reiz dieser Platte aus, welche nach einer langen Pause ohne Plattenvertrag (ab 2000) das nun 3. Album der Band um die Oxforder Brüder Ned und Maff Scott ist, die sich aber in der Zwischenzeit durch aufwendige Live-Performances eine breite Fan-Basis in England bewahrt haben, zu der auch Radiohead und Supergrass gehören sollen.
  ↑  EPO-555: Dexter Fox (Crunchy Frog / Edel) 6.6.2005
Hierzu lasse ich mal die professionellen Musikkritiker vom Visions zu Wort kommen: "Eingängig und raffiniert, mitreißend und poetisch: ein fulminantes Debüt des dänischen Indierock-Quartetts. Vier Kopenhagener mixen aus Indiepop, -rock und Electronica einen elektrisierenden Sound, der sich in etwa zwischen den Raveonettes und Notwist ansiedeln lässt. Gleich der erste Song, ’Le Beat’s On Fire’, lässt aufhorchen, wenn er kantige Gitarrenriffs, Elektro-Drums und Synthie-Klänge erfindungsreich kombiniert. ..."
  ↑  Yuppie Flu: Toast Masters (homesleep) 23.5.2005
Yuppie Flu ist ein anderer Begriff für die medizinische Krankheitsbezeichnung "chronisches Erschöpfungssyndrom", und die gleichnamige Band aus Italien, die hierzulande wohl kaum jemand kennt (mir war sie bis dato auch nicht bekannt), existiert bereits seit 1995 und hat jetzt ihr viertes Album veröffentlicht. Dieses bietet Indie-Noise-Pop, "wie er nicht schöner draußen auf der Leine hängen und durchlässig im Wind wehen könnte". (Intro :-)
Mit scheinbarer Leichtigkeit gelingt ihnen die Gratwanderung zwischen Melancholie und Vorwärtsdrang. Vergleiche mit anderen, bekannteren Bands sind aufgrund der Eigenständigkeit kaum möglich. Wie die Go-Betweens haben sie Fähigkeit, schöne Melodien aus dem Ärmel zu schütten, wie Notwist verstehen sie es aber auch, das Ganze mit elektronischen Spielerein zu untersetzen und aufzulockern.
  ↑  I Am Kloot: Gods And Monsters (PIAS/Rough Trade) 11.4.2005
Das dritte Album des Trios aus Manchester ist ein skurriles Indie-Pop-Album, das sicher nicht nach jedermanns Geschmack ist. Auf der einen Seite können sie zwar, wie auch die beiden zuvor rezensierten Bands, schöne Melodien erfinden, diese werden aber durch kauzigen Gesang und kuriose musikalische Details gleich wieder ihrer Lieblichkeit beraubt, was etwas an Badly Drawn Boy erinnert. Die Songs und Kompositionen wirken dabei immer etwas skizzenhaft und unfertig, wohl passend zu den Texten, die von Orientierungslosigkeit und fortwährender Suche nach Neuem handeln.
  ↑  La Vela Puerca: A Contraluz (Universal) 29.3.2005
Den Ärzte-Fans dürfte diese Band aus Uruguay schon ein Begriff sein, denn als Vorband bei der letzten Tour der Ärzte wußte sie das Publikum schon zu begeistern.
Die achtköpfige Band versteht es, traditionelle lateinamerikanische Musik mit Rock, Reggae, Punk und Ska zu einem organischen, kraftvollen Sound zu verschmelzen.
Im Mittelpunkt der Band steht dabei immer Sänger Sebastian Teysera, der fast alle Songs der Band schreibt und in den Texten politische und persönlich Geschichten aus dem südamerikanischen Alltag erzählt.
  ↑  Pink Turns Blue: Phoenix (Orden/Alive) 4.4.2005
Anfang der Neunziger gehörte die Band mit Hits wie "Michelle" und "If Two Worlds Kiss" zu den bekanntesten und beliebtesten Acts der Dark-Wave-/Gothic-Szene. Mit Experimentierfreudigkeit versuchten sie dann, sich den Erwartungen der Szene zu entziehen und neue Wege zu bestreiten. Da dieser Weg erfolglos war, folgte 1994 nach 10 Jahren Bandgeschichte die Auflösung. Wieder 10 Jahre später mit dieser Platte unter dem programmatischen Titel "Phoenix" nun die "Wiederauferstehung".
Und was für eine! Man besinnt sich auf die alten Stärken: kraftvoller und facettenreicher Gitarren-Wave, bei dem sich ruhige mit rockigen Passagen abwechseln. Einmal mehr beeindruckend die charismatische Stimme des Sängers Mic Jogwers, die mit ihrer Intensivität unter die Haut geht. In den Texten geht es um Selbstentfremdung und die Suche nach dem eigenen Ich.
  ↑  Qntal: Ozymandias (Drakkar/BMG) 9.5.2005
Für Kenner der Dark Wave-/Mittelalter-Szene kein unbeschriebenes Blatt. Anfang der 90er als Nebenprojekt von Deine Lakaien-Musikern entstanden, hat es sich inzwischen zu einem eigenständigen Projekt um Komponist Michael Popp und Sängerin Syrah entwickelt.
Auf dem mittlerweile 4. Album bleibt man dem ursprünglichen Konzept treu, mittelalterliches Lied- und Textgut und klassischen Gesang mit atmosphärischen oder tanzbaren elektronischen Sounds der Moderne zu kombinieren. Emotional sehr intensive ruhigere Stücke alternieren dabei mit treibenderen, tanzbaren Songs.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht auch hier – wie bei Pink Turns Blue – eine faszinierende Stimme. Die glasklare Stimme der klassisch ausgebildeten Sängerin treibt einen wohligen Schauer nach dem anderen über den Rücken ...