Lauschbar 27 09. Januar 2005

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William Shatner: Has Been (Shout!Factory/Sony) 4.10.2004
Neben Franz Ferdinand (LB 24) und der in dieser Lauschbar ebenfalls vorgestellten Monta-CD gehört diese Platte zu den persönlichen Highlights des Jahres 2004, u.a. auch, weil sie alle – in verschiedener Hinsicht – Überraschungen darstellten. Hier war es die Überraschung, daß der inzwischen 73-jährige Shatner, den meisten sicher besser bekannt als Cptn. Kirk aus den "Star Trek" Filmen, auch ein dermaßen guter Musik-Performer ist. Insidern dürfte das allerdings bekannt sein, denn Shatner hatte schon 1968 eine Platte mit Spoken Words Interpretationen bekannter Pop-Songs herausgebracht ("The Transformed Man") und war auch in den Folgejahren gelegentlich an diversen Collaberationen beteiligt. Daraus entstand die Freundschaft mit dem Komponisten und Producer Ben Folds, der nun für Shatner dieses Album produziert und auch den Großteil der Kompositionen beigesteuert hat.
Zu der Musik von Folds, mal flott-rockend, mal jazzig-relaxt oder in Spaghetti-Western-Manier, spricht und singt Shatner – in berührender Offenheit – über sein Leben, seine Arbeit, seine Lieben, \216ngste, Fehler und Verärgerungen. Er tut dies aber nicht mit Verbitterung eines Mannes, dessen Leben sich zu Ende neigt, sondern vielmehr mit Humor und der Weisheit eines 73-jährigen Mannes, den man auf die Rolle des Captain Kirk reduziert hat und der jetzt "weg vom Fenster" ist – ein "has-been".
Im letzten Lied heißt es frei übersetzt z.B.: "In den Filmen habe ich die Welt gerettet, aber nur, weil Du mich im Fernsehen gesehen hast, bedeutet das noch lange nicht, daß ich ein erleuchteter Mensch bin als Du."
  ↑  Monta: Where Circles Begin (Rewika/Alive) 18.10.2004
Dies ist das Debüt des Ein-Mann-Projekts Monta, hinter dem sich Tobias Kuhn verbirgt, den der eine oder die andere auch als Sänger der Band Miles kennt, die Ende der 90er auf der Crossover-Welle zu teilweisem Erfolg gekommen ist. Während Miles seinerzeit nicht meine Aufmerksamkeit und Begeisterung wecken konnte, so tut es dieses hervorragende Singer/Songwriter-Album umso mehr. Es ist schon beeindruckend, mit welcher scheinbaren Leichtigkeit Kuhn einen Ohrwurm nach dem anderen aus dem \216rmel zaubert. Im Mittelpunkt steht die angenehme Stimme von Kuhn, mit der er voller Leidenschaft über seine Sehnsüchte, \216ngste, Selbstzweifel und Hoffnungen singt.
Tragendes Instrument der gefühlsbetonten aber leichtfüßigen Lieder ist die Akustik-Gitarre. Mit einem Piano hier, einem Bläsersatz dort und einer verzerrten Gitarre da werden die Arrangements geschickt angereichert und geraten so zu kleinen Pop-Perlen.
  ↑  Lemongrass: Fleur Solaire (Mole/Intergroove) 18.10.2004
Seit nunmehr schon 6 Jahren steht Roland Voss mit seinem Projekt Lemongrass für fluffige Downbeats mit gelegentlichen Drum’n’Bass-Einlagen. In das Projekt und seine Musik läßt er dabei seine Erfahrungen als gelernter Schlagzeuger und als gestandener Jazz-Musiker aus den 70ern (!) einfließen.
Seit dem 98er Debüt hat er in relativ regelmäßigen Abständen ein Album veröffentlicht. Das vorliegende fällt durch den verstärkten Einsatz von weiblichen Stimmen auf.
Eine abwechslungsreiche Wohlfühl-Platte!
  ↑  Daddy G: DJ Kicks (Studio K7/Rough Trad) 18.10.2004
Mit Massive Attack gehörte er Anfang der 90er zu den TripHop-Pionieren. Nach derem dritten Album "Mezzanine" (1998) stieg er aus, um sich seiner Familie zu widmen. Im Rahmen der "DJ Kicks" Reihe legt er nun einen sehr gelungenen und abwechslungsreichen Mix vor, der einige seiner Lieblingsstücke aus den Sparten Dub, Reggae, Soul, HipHop und TripHop vereint, wobei der Reiz darin besteht, daß inbesondere die bekannteren Titel nicht in ihrer Original-Version, sondern in einer exotischen Remix-Variante zu hören sind.
  ↑  Handsome Boy Modeling School: White People (Atlantic/Warner) 8.11.2004
Dies ist die zweite CD des Projektes der beiden HipHop-Käuze und -Querdenker Prince Paul und Dan Nakamura. Bereits auf dem 98er Debüt vermischten sie traditionellen HipHop mit Rock, Reggae, Soul und Klassik (!), würzten dies mit einer Prise Humor, und ließen gleich eine ganze Schar prominenter Gastmusiker aufmarschieren.
Diesem Konzept bleiben sie auch auf "White People" treu. So vereint z.B. das geniale Stück "The World’s Gone Mad" Reggae-Ikone Barrington Levy, Rapper Del The Funky Homosapien und Franz Ferdinand-Sänger Alex Kapranos!
Die Euphorie der Musik-Kritiker über die Platte kann ich allerdings nicht ganz teilen, da sie neben ein paar wirklich guten Songs auch weniger gelungene enthält.
  ↑  Little Axe: Champage & Grits (Realworld/Virgin) 4.10.2004
Little Axe ist neben Skip McDonald der zweite Künstler-Name des 1949 geborenen US-Amerikaners. Von seinem Vater lernte er Blues-Gitarre und bereits ab 10 spielte er in diversen Blues-, Jazz- und Gospel-Bands. Anfang der 80er bildete er mit Bassist Wimbish und Drummer LeBlanc die Haus-Band des legendären HipHop-Labels Sugarhill. Ende der 80er arbeiteten die 3 als Tackhead für und mit dem Londoner Dub-Produzenten Adrian Sherwood, bevor sich Skip McDonald Anfang der 90er wieder seinen Blues-Wurzeln zuwandte und den Namen Little Axe zulegte.
Traditioneller Blues ist seine Sache jedoch nicht, vielmehr bürstet er ihn dank seiner Erfahrungen in anderen Genres gekonnt gegen den Strich. Insbesondere durch Dub- und Reggae-Elemente sowie Samples erhält der Blues so eine regelrechte Frischzellen-Kur.
Vielleicht gefällt nicht jedes Lied dieser Platte, interessant ist es alle mal ...
  ↑  Kreidler: Eve Future Recall (Indigo) 8.11.2004
Pünktlich zum 10-jährigen Bestehen veröffentlicht das Düsseldorfer Künstler-Kollektiv, neben Console und Tarwater eines der Aushängeschilder der deutschen Elektronik-Avantgarde, seinen 4. Longplayer und setzt sich damit ein Denkmal aus Ruhe, Kraft und Erhabenheit.
Enthielten die bisherigen Alben noch viele elektronische Spielereien und Experimente, so ist das neue (bis auf ein Stück) anmutiger Wohlklang aus feingliedriger, dezenter Electronica, klassischen Streicherarrangements und asiatischer Folklore, der sowohl Emotionen weckt als auch künstlerischen Anspruch befriedigt.
"Über den Dingen stehend" ist – u.a. – ein Attribut, das ich mit diesem Werk assoziiere. Dies trifft auch auf das Cover zu, das auf das Nötigste reduziert ist. Ein zeitloses Werk entgegen dem Zeitgeist!
  ↑  Ophelia’s Dream: Not A Second Time (Kalinkaland/Nova Media) 15.11.2004
Dies ist das zweite Album des ostdeutschen Projekts um Mastermind Dietmar Greulich. Anfang der 90er gehörte Ophelia’s Dream neben Bands wie Stoa und Chandeen zu den Protagonisten der Heavenly Voices-Welle, die sich durch Dominanz einer zauberhaften weiblichen Stimme auszeichnet. Hier ist es die Stimme von Sängerin Susanne Stierle. Auf dem neuen Album steht sie aber – wohltuenderweise – nicht im Vordergrund, sondern fungiert als zusätzliches Instrument in den filigranen, von klassischer Musik inspirierten Kompositionen, die Zärtlichkeit und Melancholie ausstrahlen. Eine Platte genau richtig für die kalte Jahreszeit.
  ↑  VAST: Nude (InsideOut/SPV) 25.10.2004
Nach etwas längerer Wartezeit liegt mit "Nude" nun das 3. Album des talentierten wie eigenbrötlerischen Multi-Instrumentalisten Jon Crosby (USA) vor. Auf diesem bietet er – allerdings noch perfektionierter – das, was wir schon von den Vorgängeralben kennen: episch-bombastischen Rock/Pop der melancholischen Sorte, mit sakralen Chören, Ethno-Elementen und ambienten Sounds.
  ↑  The Faint: Wet From Birth (Saddle Creek/Indigo) 20.9.2004
Dies ist bereits der 4. Longplayer des Quintetts aus Omaha (USA), das als Indie-Rock-Band begann, auf diesem Album aber Dance- mit Rock-Musik verschmilzt und damit durchaus im Trend liegt, der u.a. von Bands wie Radio 4 und The Rapture verkörpert wird. The Faint sind dabei durch Art des Gesangs, die Texte und skurrile musikalische Ideen durchaus eigenständig. So schaffen sie es auch, daß die Musik trotz vorherrschender 80er-Jahre-Synthie-Instrumentierung gut rockt und nicht kühl, sondern unelitär und warm klingt
  ↑  Ben Sidran: Nick’s Bump (Go Jazz) 25.10.2004
Ben Sidran ist ein alt-gedienter Jazz-Keyborder, der hier mit weiteren, gestandenen Jazz-Musikern und Freunden ein feines Groove-Jazz-Album eingespielt hat. Die Stücke sind dabei bis auf 3 Ausnahme keine Eigenkompositionen, sondern Neu-Arrangements von Klassikern dieses Genres aus den Federn von Eddie Harris, Sonny Clarky und Lee Morgan. Die Stücke wurden live im Studio aufgenommen, nachdem die Band während ausgedehnter Tourneen die Arrangements und den Groove probiert und perfektioniert hat.
Ingesamt keine Neuerung des Jazz, aber Musik, die in die Beine und in das Blut geht.
Nick’s Bump ist übrigens ein real existierender Cocktail, dessen Rezept im Cover abgedruckt ist...
  ↑  Transglobal Underground: Impossible Broadcasting (Sky Cap/Rough Trade) 23.8.2004
Nachdem ich Mitte der 90er von meinem Kumpel Zinner mal das 93er Debüt "Dreams Of 100 Nations" ausgeliehen bekam, versuche ich, bezüglich der Neuerscheinungen dieses Worldbeat-Projektes auf dem Laufenden zu bleiben, denn die wilde, aber tanzbare Melange verschiedener traditioneller Stile aus allen Erdteilen hatte und hat es mir angetan.
Je nachdem, welche Musiker gerade an einem Album beteiligt waren/sind, überwiegen mal die einen, mal die anderen Einflüsse. Inzwischen liegt das 8. Album des Projekts vor und an dem Grundansatz, tanzbare Musik mit ethnischen Elementen zu verbinden, hat sich nichts geändert.
Die Songs auf "Impossible Broadcasting" bewegen sich diesmal zwischen den Polen Dub-Reggae, Asian Vibes und – das ist neu ! – Balkan Folklore.